Keine Playoffs im Schweizer Fussball

Im Playoff-Modus zählen einzelne Spiele und ganze Phasen einer Saison mehr als andere. Die Spiele vor der Playoff-Phase wären nicht viel mehr als ein Vorgeplänkel, die einzelnen Playoff-Spiele selbst dann von immenser, ja übersteigerter Bedeutung: Ein Verein, der nur haarscharf das Meisterschaftsplayoff verpasst, hätte keine Chance mehr auf den Titel, obwohl er über eine ganze Saison betrachtet vielleicht die stärkste Mannschaft stellen würde. Ein Klub, dem eine Saison fast komplett misslingt, kann trotzdem noch um einen Platz im Europacup mitspielen. Mit fairem Wettbewerb und sportlichem Leistungsgedanken hätte dies nicht mehr viel zu tun.

In einem Playoff-Wettbewerb gilt in einzelnen Spielen das Prinzip «alles oder nichts». Dem Zufall würde damit weit mehr Gewicht eingeräumt, als dies im heutigen Modus der Fall ist: Umstrittene Schiedsrichterentscheide, unglückliche Verletzungen oder eine schlechte Tagesform können in einem Spiel über das Gelingen oder Misslingen einer ganzen Saison entscheiden. Im Vergleich zum aktuellen Modus würden sich Glück und Pech über eine Spielzeit hinweg weniger ausgleichen, die tatsächlichen sportlichen Kräfteverhältnisse würden verzerrt abgebildet.

Mit der Einführung von Playoffs würde eine Meisterschaftssaison nicht mehr von einzelnen Spieltagen leben, die sich im Laufe der Wochen und Monate zu einem Saisonverlauf zusammenfügen, sondern von vordefinierten Eckpunkten. Nach 22 Runden wäre ausgespielt, welche Vereine die Meisterschaft unter sich ausmachen. Drei- oder sogar Vierkämpfe an der Tabellenspitze bis zum letzten Spieltag, spektakuläre Abstürze oder Aufholjagden würde es nicht mehr geben.

Mit dem Playoff-Modus hätten die meisten Klubs nur noch 16 oder 17 Heimspiele pro Jahr und damit weniger als bisher (18). Vereine, die es in der Qualifikationsrunde nicht unter die ersten sechs schaffen, empfangen die beiden Spitzenteams zudem nur noch einmal pro Jahr. Stattdessen spielen sie in der zweiten Runde nur noch gegen die fünf Schwächsten. All das bedeutet für die Klubs weniger Einnahmen.

Schwieriger wird es auch auf dem Transfermarkt: Weil sie bis kurz vor Saisonende nicht wissen, wohin die Reise geht, können die Klubs auch im Frühling nur schwer bestimmen, welches Kader sie künftig brauchen. Und ausländische Talente zögern wegen dieser Ungewissheit auch, in die Schweiz zu kommen. Die von vielen Klubs gewünschte Planungssicherheit würde der neue Modus nicht bringen – im Gegenteil.

Der Schweizer Fussball und die Super League in ihrer heutigen Form können als Erfolgsgeschichten bezeichnet werden: Die Nationalmannschaft hat sich seit der Jahrtausendwende für acht von zehn grossen Turnieren qualifiziert. Die meisten ihrer Spieler wurden in der Super League ans Profigeschäft herangeführt. Die Schweiz hat im Uefa-Ranking einen Platz unter den ersten 15, der Meister hat somit nur eine Runde in der Champions-League-Qualifikation zu überstehen. Die aktuelle Super League geniesst auch die Gunst des Publikums: Erst kürzlich wurde der historische Zuschauerrekord an einem Spieltag geknackt (letzter Spieltag der Rückrunde 21/22 am 23. Mai 2022).

Der komplett neue Modus gefährdet die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Klubfussballs. Die Playoffs dürften dazu führen, dass nicht immer die sportlich besten Vereine in der Qualifikation für die Uefa-Wettbewerbe antreten. Die Folge wäre, dass die Schweiz in der 5-Jahres-Wertung zurückfällt und die Liga damit an Qualität und Attraktivität verliert.

Mit dem Cup gibt es im Schweizer Fussball bereits einen Wettbewerb, in dem das K.o.-System gilt. Er ist nicht nur bei der Basis und bei den Amateurvereinen sehr populär, sondern entfacht regelmässig auch bei Fans von mittelgrossen Klubs und in ganzen Regionen eine eigene, stark traditionsbasierte Cup-Euphorie. Aufgrund eines zunehmend überlasteten Spielplans hat der Cup jedoch an Stellenwert eingebüsst. Die Einführung eines Playoff-Modus würde dies verstärken und ihn zusätzlich entwerten. Der Cupfinal – heute ein Highlight zum Saisonschluss – müsste bereits im April gespielt werden. Für den Cup-Sieger – sollte er nicht an den Meister-Playoffs teilnehmen – wäre die Saison bereits nach 32 Runden zu Ende.

Tradition ist nicht alles im Fussball, aber für viele ein wichtiger Bestandteil davon. Für zahlreiche Fans macht es einen Teil des Reizes aus, dass von der Vergangenheit bis zur Gegenwart eine gewisse Kontinuität besteht und sich die Leistungen ihrer Vereine über die Jahre hinweg zumindest ein Stück weit vergleichen lassen. Zwar hat sich der Fussball im Laufe der Zeit teils stark gewandelt und auch der Modus der obersten Schweizer Fussballliga wurde immer wieder angepasst. Ein derartiger Bruch mit sportlichen Grundsätzen und der Fussballtradition im Schweizer Spitzenfussball wie sie die Einführung des Playoff-Modus nach sich ziehen würde, wurde dabei aber nie vollzogen.

Auch ist der neue Playoff-Modus kompliziert und wirft bei jedem weiteren genauen Hinsehen neue Fragen auf. Gehen Einfachheit und Nachvollziehbarkeit verloren, droht auch die Nähe und Identifikation der Basis mit dem Spiel Schaden zu nehmen.

Weshalb sollen Playoffs im Schweizer Fussball eigentlich eingeführt werden? Die Befürworter führten unter anderem das Argument der «fehlenden Spannung» des aktuellen Modus ins Feld, da es mit dem FC Basel und den Young Boys in den letzten Jahrzehnten zwei Serienmeister gab. In der letzten Saison wurde dies jedoch durchbrochen, als mit dem FC Zürich ein Klub Meister wurde, der im Vorfeld als Abstiegskandidat gehandelt worden war. Auch der FC St. Gallen mischte 2020 bis zur Corona-Zwangspause ganz oben mit. Das zeigt: Unantastbare Spitzenklubs mit einem Meister-Abo auf sicher, gibt es hierzulande nicht mehr. Auch in der aktuellen Spielzeit wird der Kampf um den Titel wohl lange offen bleiben – jener um die Europacup-Plätze erst recht.

Ein weiteres Argument lautete, dass man die Jugend, die «Generation Z», stärker für das Produkt Schweizer Fussball begeistern müsse. Das zeugt von Weltfremdheit. Diese Generation stellt vor allem in den Fankurven einen grossen Teil der regelmässigen Stadionbesucher und ist so entweder bereits stark mit dem Schweizer Fussball identifiziert; oder sie verfolgt primär die grossen europäischen Ligen und die Champions League mit all ihren Stars – Produkte, die der Schweizer Fussball auch mit noch so viel künstlich erzeugter Spannung niemals konkurrenzieren können wird.